WIRTSCHAFTSSPIEGEL - Ausgabe 6/2022

Wirtschaft & Gesundheit 38 Fotos: Zentralklinik Bad Berka Vorerkrankung, solche Möglichkeiten wie Smartwatches und änliches regelmäßig zu nutzen. Kann man auch weitere Tests zuhause selber machen, zum Beispiel Urintests? Prof. Scharf: Ich denke, dass das gar nicht schlecht ist. Damit kann man testen, ob Infektionen vorliegen oder ob Eiweiß im Urin ist. Auch die Teststreifen, mit denen man Blut im Stuhl nachweisen kann, sind zu empfehlen. Diese Eigentests sollten bei Auffälligkeiten auch beim Arztbesuch vorgelegt und gegebenenfalls kontrolliert werden. Dr. Hinkel: Einmal im Jahr kann man sich beim Hausarzt testen lassen. Mit Bluthochdruck und auch bei Diabetes sollte das selbstverständlich sein. Apropos Diabetes: Die Krankheit ist nicht sofort als heftiges Symptom zu spüren. Ist nach Jahren unerkannter Diabetes schon alles zu spät, sind die Gefäße überhaupt noch zu retten? Prof. Hörsch: Es ist prinzipiell unwahrscheinlich, dass ein Diabetes über viele Jahre unerkannt bleibt. Man wird diese Erkrankung bei einer Routineuntersuchung oder durch Symptome merken. Wenn man längere Zeit einen unerkannten Diabetes hat, entwickeln sich Folgeschäden, beispielsweise an den Nieren, den Augen und auch an den Gefäßen. Es ist aber nie zu spät, um gegenzusteuern, zum Beispiel mit guten Medikamenten, mit denen man den Blutzucker einstellen kann. Ganz wichtig ist es aber, den Lebensstil zu ändern. Das ist extrem schwierig. Doch schon kleine Veränderungen, wie dreimal 30 Minuten körperliches Training, also straff Spazierengehen, in der Woche, hilft. Auch eine leichte Diätumstellung wirkt Wunder. Wenn man es dann noch schafft, auch ein paar Pfunde zu verlieren, wenn man übergewichtig ist, dann verbessert sich die Stoffwechsellage schon erheblich. Je besser der Zucker eingestellt ist, umso weniger Komplikationen und damit auch Folgeschäden gibt es. Welche Symptome sind Alarmsignale? Immer noch der große Durst, Acetongeruch und Erschöpfung? Prof. Hörsch: Wir sehen diese Symptome nur, wenn sich der Zucker plötzlich entwickelt, weil es dann zu einer schlagartigen Ausscheidung über die Nieren kommt. Bei den meisten Patienten entwickelt sich das schleichend. Die Hausärzte sind in der Regel sehr sensibilisiert und kontrollieren gerade bei Patienten, die ein paar Pfund zu viel haben und im mittleren Alter sind, immer den Blutdruck und den Blutzucker, mitunter auch die Blutfette. Noch bessere Möglichkeiten bieten der Nüchtern- und der Langzeit-Blutzuckertest. Damit kann man früh erkennen, ob die Patienten an einer Vorstufe oder an Diabetes erkrankt sind. Zu viel Süßes ist nicht immer der Grund für Diabetes. Welche Art der Ernährung begünstigt den Typ 2Diabetes und welche kann davor schützen? Prof. Hörsch: Prinzipiell führt Zucker nicht zu Zucker. Das ist zu einfach gedacht. Die Risikofaktoren zur Entwicklung einer Diabeteserkrankung sind vor allem Bewegungsmangel und Übergewicht. Dabei spielt auch die Fettverteilung eine Rolle. Das Bauchfett hat Stoffwechseleigenschaften, die ungünstig sind. Etwas mehr auf den Hüften oder an den Oberschenkeln ist da nicht ganz so gefährlich. Letztlich ist es egal, ob man zu viele Bratwürste isst oder zu viel Kuchen – es kommt auf das Übergewicht und die Verteilung an. Je höher das Übergewicht und je ungünstiger die Verteilung, umso größer ist das Risiko für Diabetes. Diabetes ist der zweithäufigste Dialysegrund. Wer muss besonders auf seine Nieren aufpassen? Dr. Hinkel: Ganz klar: Es sind Menschen mit Krankheiten, die häufig auftreten, wie zum Beispiel hoher Blutdruck. Der schadet nicht nur dem Herzen, dem Gehirn, den Beinen, sondern allen Organen, auch den Nieren. Ein großer Teil der Dialysepatienten verdankt diese Dialysepflicht dem Bluthochdruck. Das bedeutet auch, Kardiologen und Nephrologen müssen eng zusammenarbeiten. Schon im alten Testament ist das in Zusammenhang gebracht worden, es wurde auf ‚Herz und Nieren geprüft‘. Herz und Niere gehören zusammen. Wenn das Herz nicht mehr richtig arbeitet, werden die Nieren nicht mehr richtig durchblutet. Wenn die Niere nicht mehr arbeitet, können Stoffwechselprodukte nicht richtig ausgeschieden werden und auch Flüssigkeit verbleibt im Körper. Das belastet das Herz. Das bedeutet: Herz und Niere sind oft im Zusammenhang krank. Eine weitere unterschätzte Gefahr ist die Fettleber, der häufigste Leberbefund in Deutschland. Woran merkt man eine Fettleber? Prof. Hörsch: Leider ist das so, dass eine Fettleber gar keine Symptome auslöst. Eine Fettleber spürt man nicht, sonst könnten Veränderungen auch früher diagnostiziert werden. Begleitumstände einer Fettleber wie das Metabolische Syndrom mit erhöhten Cholesterinwerten, erhöhten Blutzuckerwerten und arterieller Hypertonie werden festgestellt. Auch zu viel Bauchfett gehört dazu. Jeder kann selbst testen. Bei einem Umfang von mehr als einem Meter ist es schon zu viel. Ein Bierbauch ist etwas Gefährliches. Viele googlen ihre Symptome, um sich über Diagnostik und auch Therapien zu informieren –mag man als Arzt gut vorbereitete Patienten? Prof. Scharf: Der moderne Arzt mag autonome Patienten. Als Arzt möchte man gut beraten und mit dem Patienten gemeinsame Entscheidungen bezüglich Diagnostik und Therapie treffen. Interview: Anke Geyer Prof. Harald Lapp Dr. Ulrich Paul Hinkel

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